überarbeitet am 15.12.2011
|
Im Jahre 1874 gründete der Mechaniker Jakob Kuhn (1945 - 1893) gemeinsam
mit Jakob Wolfensperger von Wetzikon eine "Lufttelegraphen - Werkstätte",
im Namen wurde darauf bezug genommen, dass die Telegraphiesignale über Drähte
durch die Luft geleitet wurden. Am 4.10.1875 erwarb J. Kuhn die Liegenschaft
Florastrasse 202 (heute 8) welche später erster Firmenstandort der Zellweger AG, Uster werden sollte,
weshalb die Firma in ihrer Jubiläumsschrift 1875 als Gründungsjahr angibt.
Nach dem Tod von Wolfensperger 1879 firmierte der Betrieb als "J. Kuhn in Uster,
Fabrikation von elektrischen und pneumatischen Sonnerien, 1880 wurde W. Ehrenberg
als Associé aufgenommen und die Firma in "Kuhn & Ehrenberg in Uster, Telegraphen - Werkstätte"
umbenannt.
Im Juni 1880 schied Kuhn als Teilhaber aus, als neuer Gesellschafter wurde Ludwig
Alfred Zellweger von Trogen ins Handelsregister eingetragen. In der "Fabrik für elektrische Apparate
von A. Zellweger und W. Ehrenberg in Uster" bleibt J. Kuhn vorerst als Werkmeister
mit Prokura angestellt. 1882 trat Kuhn aus der Gesellschaft aus und gründete seinen
eigenen Betrieb, über den nach seinem Tode 1893 der Konkurs verhängt wurde.
Nachdem die Fabrikation 1882 an die Neuwiesen / Bahnstrasse in Uster verlegt worden war
und der Umfang stetig zunahm, fielen die Fabrikräumlichkeiten 1925 einem Brand zum Opfer,
die Produktion wurde in die Gebäude der ehemaligen Spinnerei Kunz in Niederuster verlegt.
Später konnte zusätzlich das Fabrikationsgebäude der ehem. Turicum Automobilwerke in
Niederuster bezogen werden und es kamen weitere Gebäude dazu am Firmenstandort dazu.
Alfred Zellweger wurde am 5.9.1855 in Trogen geboren, von der Bedeutung seiner
Vorfahren als Landammänner und international tätige Textilfabrikanten spricht die
ganze Reihe "Zellweger - Häuser", die den denkmalgeschützten Landsgemeindeplatz von Trogen umgeben.
Nach der Kantonsschule Trogen wechselte der bereits damals von der Elektrizität
faszinierte Alfred Zellweger zur Telegraphen-Fabrik Matthias Hipp nach Neuenburg und
besuchte 1874 - 1877 das eidgenössische Polytechnikum in Zürich, die heutige ETH.
Den Militärdienst absolvierte er bei den "Feuerwerkern", der Artillerie.
In Studienaufenthalten in Paris und London vervollkommnete Zellweger zum einen seine Sprachkenntnisse,
zum andern die Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem Gebiet der Elektrizität.
Unterstützt von seinem Vater und Freunden brachte Zellweger den Betrag von 10'000.- Fr.
in die neue Firma ein, am 30. Juni 1880 wurde der Kaufvertrag der
Firma Kuhn & Ehrenberg abgeschlossen.
A. Zellweger stand der neugegründeten Firma als Geldgeber und Entwickler vor,
während Ehrenberg sich vornehmlich um die Verkaufsseite kümmerte.
1886 heiratete A. Zellweger Hermine Krüsi von Heiden, 1891 entstand vor dem
Fabrikgebäude an der Bahnstrasse 1460 (heute 11) die Villa Elektra als Wohnhaus.
1916 verstarb A. Zellweger relativ unerwartet an einem Magenleiden im Alter von 61 Jahren.
Nach dem Tod des Patrons und des älteren Sohne 1918 wurde eine Kommanditgesellschaft
gegründet, die "Zellweger & Cie.", 1918 wurde Hans Bissig, Prokurist beim
Elektrostahlwerk Fischer (heute +GF+), als Leiter eingestellt, er wurde Direktor
der am 1.7.1918 gegründeten Zellweger AG. Nach Jahren schwierigen Geschäftsgang
verkauften die Geschwister Zellweger ihre Anteile, die Firma wurde 1929 im Rahmen einer
Aktienkapitalerhöhung in "Apparate- & Maschinenfabrik Uster, vormals Zellweger AG" umbenannt,
aufgrund geringen Echos bei der Kundschaft und Verwechslungsmöglichkeiten
kehrte man 1946 zur Bezeichnung "Zellweger AG, Apparate- und Maschinenfabriken Uster"
und 1973 zur vereinfachten Bezeichnung "Zellweger Uster AG" zurück.
Bereits 1881 konnte "Zellweger & Ehrenberg" Telephonapparate und -anlagen an
die Eidgenössische Telegraphendirektion in Bern liefern, zum andern entwickelte sich
die Sonnerie und elektrische Beleuchtung weiter. Mit zunehmendem Platzbedarf erwarb die
Gesellschaft die Geschäftsräume Hiestand an der Neuwiesenstrasse 10 in Uster in verlegte den
Firmensitz 1882/3 dorthin.
An der Landesausstellung von 1883 auf dem Platzspitz in Zürich war "Zellweger & Ehrenberg"
mit einem der grössten Angebot vertreten. 1896/97 konnte Zellweger die Stromversorgung
für die Stadt Uster mit einem Gastkraftwerk realisieren
Neben Sonnerie- & Telephonanlagen liess Zellweger 1917 die elektrische Kaffeemühle
"Perl" patentieren, welche jahrelang im Angebot blieb. Neben handvermittelten
Hauszentralen produzierte Zellweger grosse Telephonvermittlungen.
Mit der finanziellen Beteiligung des Textilindustriellen Jakob Heusser-Staub 1918
begann die lange Beziehung der Zellweger AG mit der Textilindustrie, mit
Mess- und Garnprüfgeräten, Garnreinigungsanlagen und Steuerungs- und Überwachungsanlagen
für die Textilindustrie erlangte die Zellweger AG Weltruf.
Mit einer Marconi - Lizenz begann 1923 die Produktion von Radio-Empfängern,
1925 konnte die Armee mit dem F-Telephon beliefert werden. Die K-Station war
1936 die erste militärische (tragbare) Kleinfunkstation aus dem Hause Zellweger,
später folgten zahlreiche Truppenfunkstationen, welche bei vielen Übermittlern
und auch bei Funkamateuren, welche die legendären Stationen "nachnutzten",
den Ruf von Zellweger Uster als Hersteller zementierten
Nach den portablen K- und P-Stationen entwickelte Zellweger 1940/1 die
Funkstation FL40 ("Fahrbar Leicht") mit dem auch separat eingesetzten
"Allwellenempfänger Uster" (E41),
die legendäre SSB-Kurzwellenstation SE-222, die schwere
Funkfernschreibstation SE-415 und zuletzt die Funkstation
SE-430 und die Rundspruchanlage S-510 / E-646,
dieses Gerät wurde zum letzten Kurzwellenempfänger aus Schweizer Produktion.
Ein spezielles "Nischenprodukt" aus der Präzisionsmechanikabteilung war die Schweizer
Weiterentwicklung der Chiffriermaschine "Enigma", die "Nema", die "NEue MAschine"
("TD"). Zellweger fertigte immer wieder Nischenprodukte, so dass die Produktion der "Nema"
lange Zeit relativ geheim gehalten werden konnte, nur wenige wussten Bescheid,
dass in einer geschützen Anlage die Walzen der Chiffriermaschine nach geheimem
Schema verdrahtet wurden.
Über die Meilensteine der "USTER" Geräte in der Textilindustrie (Garnprüf- und Reinigungsanlagen)
muss ich auf andere Quellen verweisen, weitere Geschäftszweige waren Steuerungs- und
Kontrollsysteme für die Textilindustrie und auch Rundsteuerungsanlagen.
Ein spezielles Gebiet ist auch die Verkehrselektronik, von Zellweger stammten
nicht nur die orangefarbigen Notrufsäulen an den Schweizer Autobahnen, sondern
auch "technologisch fortschrittlichste" Radar - Geschwindigkeitsmessanlagen,
in Form des Bilds von einem "Blechpolizisten" haben viele unfreiwillig Kontakt
mit einem Produkt von Zellweger Uster gehabt.
Inzwischen wurde der Konzern mit seinen Niederlassungen in fast allen Kontinenten aufgeteilt,
aus der Zellweger Luwa - Gruppe ging 2003 durch ein Management Buyout die Uster Technologies AG hervor,
die unverändert im Textilindustriebereich aktiv ist.
© Martin Bösch, 15. Dez. 2011
|